Krankes Igelchen im Garten
An einem heißen Septembernachmittag fand ich Hannah. Zufällig war ich am 6. September 2024 gegen halb vier im Garten unterwegs und konnte es kaum glauben: ein kleiner, schutzloser Igel.
Verschüchtert suchte das Igelchen an einem Holzstapel Schutz. Von der Igel-Mama war weit und breit nichts zu sehen. Als mich die kleinen schwarzen Kulleraugen ansahen, rannte ich los: nach Wasser, Futter und einem Karton. Natürlich war mein Igelfutter viel zu deftig für ein Igelbaby. Mit einer Plastikkanüle versuchte ich, ein Tröpfchen Wasser in ihr Mäulchen zu bringen (Bitte nicht nachmachen!). Sie schien sichtlich schwach und taumelte ein wenig. Dass sie dringend Hilfe brauchte, stellte sich bald heraus: Hannah leidet unter einer neurologischen Störung.
Erste Hilfe für kleine Igel
Ich war komplett unerfahren mit Igeln. Also tat ich das, was wohl jeder mit einem Herz im Leib getan hätte: Hilfe suchen. Während sich Hannah unter der Holzwolle (Heute weiß ich, dass es nicht das passende Material war.) verkroch, glühte bei mir das Telefon. LBV, Tierschutz, Internet, überall suchte ich Rat. Noch am selben Nachmittag wurde mir bei einer Tierschutzstation Hilfe angeboten. Allerdings sollte ich nach anderen Kleinen Ausschau halten, denn in der Regel bleibt es bei Igeln nicht bei dem einen Kind. Ich fand die Geschwisterchen unter einer Hecke: fünf an der Zahl, schlafend. Ich sollte sie anschauen lassen. Dafür musste ich sie ebenfalls in den Karton legen.
„Wir müssen los!“, rief ich meinem Mann zu, der von nichts ahnte. Nach einer halben Stunde Autofahrt erreichten wir Weiding. Neben Igeln werden auf der Tierschutzstation auch andere Tiere gepflegt. „Meine“ Igel wurden gewogen und mit Nagellack markiert, damit ich das Wiegeprotokoll ohne Verwechslungsgefahr führen kann. Ich bekam eine Erstausstattung an Futter mit sowie einen Hasenkäfig für die ersten Wochen mit auf den Weg:
Babycat Milk (Royal Canin), Kitten Baby-Paté (Katzenfutter von animonda), Laktase, sab simplex (Tropfern bei Blähungen). Das Enzym Laktase sorgt wohl dafür, dass Milchzucker in der Babycat-Milch in seine Einzelbestandteile aufgespalten wird, konnte ich im Internet nachlesen.
Die Kleinen schliefen mit einer Wärmflache ausgestattet in ihren ersten Tag im Käfig und hatten glücklicherweise Appetit. Bei einem Gewicht von ca. 130 g waren sie zu klein, um die nächsten Wochen ohne Hilfe zu überstehen. Hannah war nur 90 Gramm schwer und rollte sich als einzige nicht ein. Sie ließ sich nach dem Füttern den Bauch massieren und schaute mich dabei an, so süß, so lieb! Dass sie unser Sorgenkind sein würde, wusste ich da noch nicht.
Unterstützung von Lisa Ruder, einer erfahrenen „Igelmama“
Glücklichen Umständen verdanke ich den Kontakt zu Lisa Ruder in Bodenwöhr. Sie päppelt seit Jahren Igel auf, ganz ohne Verein, nur mit viel Herz, noch mehr Liebe und ganz viel Sachkenntnis. Ihre Erfahrungen wurden in den darauffolgenden Monaten für mich von unschätzbarem Wert. Als ich sie zwei Tage nach dem Fund samt Igel besuchen durfte, war ich recht zuversichtlich, die Igel selbst versorgen zu können. Natürlich immer mit der Option, Lisa um Rat fragen zu können.
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Erster Gesundheits-Check für die kleinen Igel
Lisa wog nicht nur jeden Igel, sondern schaute sich jedes Tier genauer unter hellem Licht an: Klarer Blick, runde Augen, feuchte Nase, Zustand der Haut, Flöhe, Gang uvm.
Die Igel litten an trockener Haut, erkannte Lisa schnell. Die Igel bekamen Spray gegen Flöhe und Pantheolschaum für die Haut. Lisa zeigte mir genau, wie ich den Schaum mit einem Handtuch einmal pro Woche einmassieren sollte.
Versuch, Kontakt zur Igelmutter herzustellen
Am nächsten Tag setzte ich den kräftigsten der Igel zurück in sein Nest. Denn ich wusste, dass nachts andere Igel im Garten sind und Igelmütter mehrere Gehege haben. Meine Hoffnung: Die Igelmama findet ihren Igel und kümmert sich um ihn. Der Kleine war am darauffolgenden Tag nicht mehr da. Ich hatte aber jeden Abend Futter herausgestellt und siehe da: ein großer Igel mit einem Kleinen kam jeden Abend zum Fressen. Das ging viele Wochen so. War es „unser“ Findling?
Die Unterbringung der Igel
Den geliehenen Käfig habe ich mit Zeitungspapier ausgelegt und darauf geachtet, dass keiner ausbüchsen kann. Dazu befestigte ich Klammern, die die Teile noch stärker zusammenhalten sollten. Dass dies nötig war, beobachte ich nachts, als der eine oder andere Igel auf Entdeckungstour ging. Im Käfig platzierte ich einen großen Karton mit ausgeschnittener Eingangspforte. Im Inneren des Kartons verteilte ich Zeitungsschnipsel. Dazu fasste ich eine Zeitung mit der einen Hand und riss mit der anderen von oben nach unten lange dünne Streifen. Die Igel verkrochen sich darin. Jeden Morgen und Abend erneuerte ich das Zeitungspapier. Es war nass, voller Kot und teilweise zerrissen. Die nachtaktiven Tiere trampelten in ihren Näpfen herum und kletterten offensichtlich manchmal auf das Dach des Kartons, erkennbar an den Hinterlassenschaften.
Ich fütterte zuerst Babycat Milk und Kitten Baby-Paté, bis das Gewicht ca. 350 Gramm betrug. Danach versuchte ich es mit Rührei (ohne Fett erhitzt), aber das mochten sie nicht. Auch ein gekochtes Hühnerbein (von Haut befreit) war nicht ihr Ding. Umso mehr freute sich der große Igel darüber, der ja jeden Abend zum Fressen kam. Der kleine Unbekannte war immer mit dabei.
Spezialbehandlung für Igelmädchen Hannah
Mein Findling, den Lisa Hannah nannte, blieb bei ihr. Sie wollte den Igel einige Zeit beobachten und wenn nötig, Medikamente bzw. Spritzen verabreichen.
Ich vermute, dass Hannah wegen gesundheitlicher Probleme aus dem Nest verbannt worden war, denn sie wog viel weniger als ihre Geschwister. Hannah fraß gut, war auch meine erste Beobachtung. Inzwischen hatte Lisa eine Tierärztin in Nittenau aufgesucht, die die Befürchtungen bestätigte: Hannah ist nicht gesund. Lisa kümmerte sich rührend um die Kleine und damals aktuell weitere knapp zwanzig Igel auf ihrer Station. Hannah bekam Medikamente und Physiotherapie. Wir hofften das Beste.
Zweiter Gesundheitscheck für Hannahs Geschwister
Lisa ließ sich von mir das Protokoll zusenden und befand, noch einmal die Igel anschauen zu wollen. Ich war froh, alles richtig gemacht zu haben. Und ich durfte Hannah wiedersehen. Sie schnupperte und leckte an meinem Finger, schien zu lächeln, als wollte sie mich freudig begrüßen. Das ging mir sehr nahe.
Die Igel wuchsen heran
Einer meiner vordringlichsten Beschäftigungen im Herbst 2024 waren die Pflege der Igel und Recherchen im Internet, die Suche nach einem geeigneten Kleintier-Freigehege und die Umgestaltung der Wohnung, igelfreundlich, versteht sich. Irgendwann brauchten die Tiere mehr Bewegung und Platz. Ende September zogen sie in große, stabile Plastik-Rollcontainer um, wie man sie in Möbelhäusern kaufen kann. Ein Deckel wurde zweigeteilt, so dass jede Rollbox mit einem halben Deckel das Herausklettern verhinderte. Direkt darunter platzierte ich den Schlafkarton. Von da an wohnten je zwei Igel in einem solchen Container. Beim morgendlichen Säuberungsritual habe ich die Igel gewogen, das Gehege gesäubert und frisches Futter hingestellt. Langsam gewöhnte ich die Igel an Katzenfutter mit hohem Fleischanteil.
Im Oktober zogen die Igel ins schattige Freigehege mit Schlaf- und Futterhaus. Dort blieben sie etwa zehn Tage. Am 12.10.24 dann öffnete ich das Gehege, und die Igel erkundeten erstmals ihre Umgebung. Manchmal sah ich den einen oder anderen im Dunkeln draußen herumstromern. Zwei Igel blieben noch ein paar Tage im Schlafhaus, bevor auch sie sich ein Winterquartier suchten.
Ich muss zugeben, dass mir das Loslassen schwer gefallen ist. Aber die Natur fordert ihren Tribut. Greeny mit seinen 750 Gramm war der erste, der sich verkrümelt hatte. Die anderen mit einem Jungigel-Gewicht um 600 waren ebenfalls bereit für die Freiheit. Bei moderaten Temperaturen haben sie sicher alle einen guten Unterschlupf hier im ländlichen Gebiet gefunden.
Neuzugang Ende Oktober
In einem separaten Futterhaus aus Karton, wettergeschützt untergebracht, besuchten der erwachsene und der unbekannte kleine Igel spätabends weiterhin die Futterstelle, doch plötzlich nicht mehr. Vielleicht haben sie sich schlafen gelegt, war meine Vermutung. Ab und zu vernahm ich Geräusche unter der Terrasse, wo auch schon früher Igel wohnten.
Wenn die Tage und Nächte kälter werden, läuft eigentlich kein Igel mehr tagsüber im Garten herum. Es war wieder nachmittags, als ein Igel etwas taumelnd versuchte, zum Futterhaus zu gelangen. Hier deponierte ich weiterhin Futter, falls sich „meine“ Igel stärken wollen. Ich nahm ihn auf und merkte sofort, dass er für den Spätherbst zu leicht war. Mit 360 Gramm musste ich ihn ins Innengehege (vergittert) bringen.
Heinz auf „Intensiv“
Lisa Ruder war jetzt wieder meine erste Anlaufstelle. Wir nannten den Igel Heinz. Bei Lisa bekommen alle Igel einen Namen, aus Respekt und Liebe. Sie nahm ihn am 2. November bei sich auf. Eine Stuhlanalyse unter dem Mikroskop zeigte Lungenwürmer und Darmparasiten an. Auch seine Haut brauchte Pflege. Heinz hatte hörbar Bauchschmerzen. Wir wussten ihn bei Lisa in guten Händen. Trotzdem war die Situation ernst.
Am 16.11. kam dann die erlösende Nachricht, ganz lieb von Lisa verpackt: „Der kleine Heinz möchte aus dem Spieleparadies abgeholt werden.“ Nun, es waren wohl für alle keine lustigen Tage, sondern ein Kampf. Lisa tut wirklich alles, um Igel zu retten.
Heinz zog in den Hasenkäfig ein und bekam noch eine Woche lang ein Pulver ins Fressen, damit er gut abhusten kann. Manchmal hörte ich Darmgeräusche, der Kot war hellgrün statt braun. Das gab sich aber gleich wieder. Seine Leibspeise, Soldatenfliegenlarven, garnierte ich allmählich mit Katzennass- ud Trockenfutter, mal mit gegartem Rinderhackfleisch und Ei. Bis Ende November nahm er weiterhin zu, auch mal einen Tag ab. Der Stuhl war dunkelgrün und braun. „So langsam wird es Zeit für den Winterschlaf“, meinte Lisa. Am 30.11. untersuchte sie nochmals den Kot sowie das Befinden des nun 586 Gramm schweren Igels. Check-up bestanden!
Winterschlaf
Heinz verbrachte von da an zwei Nächte in einer kühleren Umgebung von ca. 14 Grad (empfohlen 10 Grad), bis er am 2.12. ins Schlafhaus nach draußen zog. Hier findet er trockenes Stroh vor. Am Haus liegen Stroh und trockenes Laub, damit er sich das Nest nach seinen Bedürfnissen richten kann. Abends besucht er das Futterhaus und erkundet das Gehege. Auch über den Winter wird er etwas Trockenfutter und Wasser vorfinden.
Von außen ist das Gehege am Boden mit Steinen geschützt. Die kleinen Racker buddeln gerne, um ins Freie zu kommen.
Und wieder fiel es mir nicht leicht loszulassen. Das Wichtigste ist ja doch immer, Tieren Schutz zu bieten und ihre natürlichen Bedürfnisse zu respektieren, ihnen zu helfen, wenn nötig.
Lisas Igelhilfe unterstützen
Lisa Ruder betreut aktuell (Anfang Dezember 2024) noch 17 Igel. Auch sie müssen irgendwann ihren Winterschlaf bekommen. Und Lisa weiß nicht, was die nächsten Tage bringen werden. Immer wieder kommen Menschen mit verletzten oder kranken Tieren zu ihr.
Ihre ehrenamtliche Arbeit wird nicht von einem Verein getragen, sondern ist ihre private Entscheidung. Wer Lisa unterstützen möchte, kann dies tun mit
– einer Spende an lisaruder62@gmail.com (Paypal)
– Zuwendungen über die Amazon-Wunschliste: ogy.de/jwud.
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Besucht ihren Instagram-Kanal @igelmama_lisa, um mehr über ihre Igelhilfe zu erfahren. Vor allem lege ich euch ein Video ans Herz, in welchem Lisa Ruder über ihr Engagement spricht: https://www.youtube.com/watch?v=BWND-yHWe8c.
„Meine“ Igel im Dezember 2024
Hannah wurde liebevoll weitergepflegt von einer Dame aus Lisas Igel-Netzwerk. Dem Igelmädchen geht es prächtig. Inzwischen ist sie im kontrollierten Winterschlaf. Sie wird zeitlebens in einem schönen Gehege leben, weil sie in freier Natur nicht allein zurechtkommen würde. (Video: Lisa Ruder)
Hannahs Geschwister tragen eine Markierung, die nun herauswächst. In einem Frühjahrsblogpost werde ich berichten, ob sie sich an ihr Futterhaus erinnern.
Heinz hatte am Tag seines Umzugs ins Freigehege 600 Gramm erreicht. Er kommt nachts noch zum Fressen ins Futterhaus. Eine Markierung konnte ich bei ihm nicht erkennen. Heinz ist demnach nicht wie zunächst vermutet Hannahs Bruder, also der Igel, den ich im September zurück in sein elterliches Gehege gesetzt hatte.
Erste Erfahrungen mit Igelhilfe
Von Lisa Ruder konnte ich sehr viel lernen und möchte es auch weiterhin tun. Ich bin ihr sehr, sehr dankbar für ihre Hilfe! Ohne sie hätte ich es nicht geschafft, Igel in den Winterschlaf zu begleiten, zumal Hannah und Heinz wirklich krank sind bzw. waren.
In einem weiteren Post gebe ich euch gerne ganz praktische Tipps.